Haushaltsrede 2016

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates, verehrte Damen und Herren,

wer würde bestreiten wollen, dass wir derzeit in vergleichsweise schwierigen Zeiten leben? Dies spiegelt auch der vorliegende Haushalt 2016 mit einem geplanten Defizit von ca. 9,4 Millionen Euro in einer Art und Weise wieder, die sich vor einem Jahr kaum jemand hat vorstellen können und die auch bei dem einen oder anderen Ratlosigkeit aufkommen lässt. Aber trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob die haushalterische Gesamtsituation – bei genauerem Hinsehen – wirklich so wenig absehbar war?

Bevor ich dieser Frage später noch nachgehe, möchte ich natürlich ein paar Worte zur Beschreibung dessen verwenden, was eigentlich die angesprochenen „schwierigen Zeiten“ ausmacht und wie wir als GRÜNE die Situation bewerten:

Im Wesentlichen haben wir es mit zwei maßgeblichen Heraus­forderungen zu tun. Die erste Herausforderung geht auf die Aufnahme von ca. 1 Millionen Flüchtlingen letzten Jahres in Deutschland zurück und betrifft alle staatlichen Ebenen gleichermaßen. Insbesondere natürlich die Kommunen, auch Langenfeld, weil diese am Ende für die konkrete Unterbringung und Versorgung der Asylsuchenden Sorge tragen müssen. Um es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich auszusprechen: Wir GRÜNE hielten und halten diesen Schritt der Kanzlerin, angesichts der menschlichen Katastrophe Deutschlands Grenzen zu öffnen, für richtig und alternativlos. Die bald einsetzende Diskussion über sogenannte Transitzonen und Obergrenzen waren und sind nicht nur peinlich und menschenverachtend, sondern auch inhaltlich in höchstem Maße unausgegoren und wirklichkeitsfremd. Leider sind hinter diesen Scheindiskussionen wirkliche substantielle Maßnahmen zur Bekämpfung der Fluchtursachen völlig in den Hintergrund geraten und die Politik der EU wie der Bundesregierung setzt wieder auf Abschottung und geschlossene Grenzen. Die jeder Humanität spottenden Ergebnisse sind bereits in Calais und Idomeni zu besichtigen.

Zurück zur Situation in Langenfeld und in den Kommunen. Die Lage lässt sich eigentlich in einem Satz zusammenfassen: „Den Letzten beißen die Hunde“! Niemand war auf die große Zahl an Flüchtlingen wirklich vorbereitet – aber die Kommunen waren in ganz Deutschland diejenigen, zu denen die Ankommenden von Bund und Land durchgereicht wurden und die von jetzt auf gleich Unterkünfte bereit stellen und Versorgung organisieren mussten. So auch hier vor Ort. Man kann hierbei den vielen freiwilligen Helfern, die letzten Endes den Begriff der Willkommenskultur geschaffen und gelebt haben – und noch leben – , nicht genug für ihren Einsatz danken. Aber auch die Verwaltung hat es mit großem Einsatz geschafft, bezüglich der Unterbringung nicht nur das Bild von Zeltstädten, das aus anderen Gemeinden auch durch die Medien ging, sondern auch die übermäßige Inanspruchnahme von Turn- und Sporthallen zu vermeiden. Stattdessen wurde in Langenfeld richtigerweise früh auf die Anmietung bzw. den Ankauf freistehender Klinik- und Gewerbegebäude, wie auf die Errichtung von Leichtbauhallen und Containergebäuden gesetzt. Alle Fraktionen im Rat und die Verwaltung eint darüber hinaus die – zumindest grundsätzliche – Erkenntnis, dass es mit der akuten Unterbringung und Versorgung nicht sein Bewenden hat und nicht haben kann, sondern dass eine große Integrationsaufgabe auf allen Ebenen, einschließlich der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum vor uns liegt.

Das alles wird auch Geld kosten – und mit dieser Feststellung bin wieder bei der Haushaltssituation angelangt. Für uns GRÜNE ist dabei völlig klar, dass Langenfeld, wie alle Kommunen, dafür von Bund und Land mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet werden müssen. Das heißt, wir gehen auch davon aus, dass die knapp 3,6 Millionen Euro, die denjenigen Teil des Defizits von 9,4 Millionen Euro ausmachen, der jetzt der Flüchtlingsversorgung geschuldet ist, am Ende des Jahres zumindest beträchtlich geschrumpft sein wird. Diese erste, mit der Flüchtlingssituation beschriebene Herausforderung ist meiner Überzeugung nach für die Stadt auf Dauer weniger eine finanzielle, sondern mehr eine Herausforderung in unseren Köpfen. Sie ist zu meistern, wenn wir sie optimistisch und lösungsorientiert angehen, aber nicht, wenn wir voller Angst wie das Kaninchen auf die Schlange nur auf die Risiken und Probleme starren.

Eingangs sprach ich von zwei maßgeblichen Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert sehen und die Zweite blitzt bereits auf, wenn wir nochmal das zu erwartende Defizit von 9,4 Millionen Euro ins Auge fassen. Man sollte nicht übersehen, dass fast zwei Drittel dieses Defizits, nämlich ca. 5,8 Millionen Euro, schon bei der Einbringung des Haushalts-Entwurfs im Raum standen – und zwar ohne überschießende Kosten für die Unterbringung bzw. Versorgung der Flüchtlinge. Und damit sind wir bei einem entscheidenden Punkt, denn dieses bereits im Dezember fest eingeplante Defizit reiht sich damit – leider – in die Abfolge von Haushaltsfehlbeträgen der letzten Jahre ein: minus 3,7 Millionen Euro in 2010, minus 5,9 in 2011, minus 4,9 in 2012 und minus 0,8 in 2014. Lediglich 2013 war mit plus 3,5 Millionen Euro ein Überschuss aufgrund des Sondereffekts einer Rückzahlung aus den Einheitslasten erzielt worden, ein weiterer Überschuss zeichnet sich für 2015 ab.

Sehr verehrte Damen und Herren, man muss die Augen vor diesen Zahlen und den möglichen Gründen schon sehr fest zugekniffen haben, um am Ende hier Zufälligkeiten, oder schlimmer noch, die finsteren Machenschaften fremder Mächte, sprich von Landtag, Landesregierung und Kreisverwaltung am Werk zu sehen. Und trotz der empörten Reaktionen im Haupt- und Finanzausschuss wiederhole ich an dieser Stelle gerne nochmal die schlichte Wahrheit, dass, bevor man Andere für die eigenen Probleme verantwortlich macht, ein Blick auf die eigenen Fehler und Versäumnisse angeraten ist. In den vier Jahren 2010 bis 2013 lief im Saldo ein Fehlbetrag von insgesamt 11 Millionen Euro auf, der durch die Ausgleichsrücklage aufgefangen wurde und diese entsprechend von 33,3 auf 22,3 Millionen Euro reduzierte. 2010 bis 2013. 11 Millionen Euro Miese. Da muss man doch eigentlich stutzen. Denn – der eine oder andere mag es vergessen haben –die Solidarumlage wurde erst ab 2014 erhoben und fällt damit als Begründung für die massive Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben schlichtweg aus!

Außerdem sank die Kreisumlage von 38,4 Millionen Euro in 2010 auf 35,6 Millionen Euro in 2013. Auch hier ist also nach Adam Riese kein Schuldiger für die 11 Millionen Euro Defizit auszumachen!

Um eine tatsächliche Begründung für dieses strukturelle Langenfelder Haushaltsproblem zu erhalten, muss man sich stattdessen mit der wichtigsten eigenen Einnahmequelle der Stadt, dem Aufkommen an Gewerbesteuer, beschäftigen. Dann wird nämlich auch deutlich, wo die Quelle dieses hausgemachten Problems liegt.

2006 war das letzte Langenfelder Haushaltsjahr mit einem Hebesatz von 403 Prozent in der Größenordnung des fiktiven NRW-Hebesatzes. 2007, 2008, 2009 wurde der Hebesatz auf 390, 380 und schließlich 360 Prozent gesenkt. Wenn man das Jahr 2009 wegen eines durch Sondereffekte verzerrten Gewerbesteueraufkommens von fast 71 Millionen Euro einmal ausklammert, sank parallel zur Senkung des Hebesatzes das Aufkommen von knapp 65 Millionen in 2006 auf nur noch 52 Millionen in 2010. Im Durchschnitt der drei Jahre 2006 bis 2008 flossen jedes Jahr knapp 59 Millionen Euro in die Stadtkasse (und das schon mit teilweise abgesenkten Hebesätzen), während bei einem Hebesatz von 360 Prozent in den Folgejahren 2010 bis 2013 jedes Jahr nur durchschnittlich gut 49 Millionen Euro erzielt wurden. Man muss sich das wirklich noch einmal vor Augen führen: Nach der Senkung des Hebesatzes flossen jedes Jahr 10 Millionen Euro weniger in die Stadtkasse als vorher! Und das, obwohl in allen Jahren weitere Gewerbeflächen erschlossen und vermarktet wurden und die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigen in Langenfeld als Maß für die wirtschaftliche Tätigkeit von ca. 23.000 in 2009 auf 26.000 in 2013 angestiegen ist.

Das Fazit liegt für uns GRÜNE auf der Hand:

  1. Die massive Absenkung der Gewerbesteuer im Hochgefühl der Schuldenfreiheit war ein Fehler (übrigens hatten wir damals dagegen gestimmt und leider Recht behalten). Diese überzogene Absenkung ist maßgeblich für die schlechte Haushaltssituation der letzten Jahre verantwortlich. Die gute Infrastruktur, die wir in Langenfeld haben und behalten wollen, hat nämlich auch ihren Preis – auch für die hier ansässigen Unternehmen. Und die Aufgaben für die nahe Zukunft nehmen auch nach dem Bau der neuen Schule nicht ab. Beispielhaft erwähnt sei die Einrichtung neuer Kindergartengruppen und der Sanierung wichtiger Straßen wie Haupt- und Solingerstraße.
  2. Mit der damaligen Senkung des Hebesatzes wurde zudem ein völlig falsches Signal in die Region gegeben, das am Ende als Bumerang, in Gestalt der Steueroase Monheim, zu uns zurückgekommen ist. Monheim, dass sich nach Aussage dessen Bürgermeisters in Konkurrenz zu Nijmwegen und Brüssel sieht. In der Theorie. Tatsächlich wirbt Monheim Gewerbesteuerzahler z. B. aus Oberhausen ab, wie jüngst in Gestalt der Hauptverwaltung eines Chemieunternehmens. Ausgerechnet aus Oberhausen, der Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in NRW! Soviel zu der Aussage, man würde ja anderen NRW-Städten damit nicht schaden. Als Initiator dieser Steuersenkungsspirale steht Langenfeld mit weit­gehend leeren Händen da. Die Steuereinnahmen sind – wie beschrieben – massiv weggebrochen und die Ansiedlung potenter Gewerbe­steuer­zahler ist ausgeblieben. Stattdessen hat man sich erpressbar gemacht und bekommt dies auch zu spüren.
  3. Die Konsequenz kann deshalb nur sein, allen Unkenrufen zum Trotz, hier eine moderate Erhöhung vorzunehmen, um Ausgaben und Einnahmen wieder in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Dazu haben wir heute einen entsprechenden Antrag eingebracht. Leider hat sich ja schon in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses abgezeichnet, dass wir dafür keine Mehrheit finden werden. Das ist bedauerlich, besonders vor dem Hintergrund, dass ja bei der Grundsteuer längst das Ruder herumgeworfen wurde. Im Zuge der Steuersenkungseuphorie der Jahre 2006 bis 2009 wurde auch die Grundsteuer B schrittweise von 381 Prozent auf 336 Prozent gesenkt. Bereits für das Haushaltsjahr 2013 wurde sie wieder auf 380 Prozent erhöht. Das ist auch eine sehr einseitige Steuerpolitik zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger und insbesondere zu Lasten der Mieter. Ich sage hier schon mal ganz deutlich, dass wir einer weiteren, insbesondere einseitigen Erhöhung nicht zustimmen werden. Angesichts der Mietpreissituation in Langenfeld und der Herausforderung der nächsten Jahre, bezahlbaren Wohnraum in Langenfeld zu schaffen, wäre dies völlig kontraproduktiv.

Meine Damen und Herren, wir haben in den diesjährigen Haushaltsberatungen darauf verzichtet, eigene Anträge zum Haushalt zu stellen. Dies war der Tatsache geschuldet, dass wir unsere Haushaltsberatungen weitgehend den strukturellen Finanzproblemen gewidmet haben. Das soll aber nicht heißen, dass wir uns nicht auch in dem einen oder anderen Fachbereich inhaltlich andere Akzente gewünscht bzw. investive Maßnahmen der Sache nach für notwendig erachtet hätten, wie ich im Folgenden noch umreißen möchte.

Im Sozialbereich ist zu begrüßen, dass der Bürgermeister sich in diesem Jahr entschieden hat, die knappe Personalsituation deutlich zu verbessern und hier neue Stellen geschaffen wurden. Wenn aber, wie zu hören ist, das bei der eigentlichen Betreuung der Flüchtlinge durch Honorarkräfte konkret die Aufstockung auf 120 Wochenstunden bedeutet, haben wir große Zweifel, ob dieser, drei Vollzeitstellen entsprechende Aufwand, wirklich ausreicht, um z. Zt. 800 Flüchtlinge –Tendenz steigend – angemessen zu betreuen. Vielleicht hätte man auch hier mehr Personalkapazität für die Betreuung freischaufeln können, wenn man sich doch unserem Antrag zur Gesundheitskarte angeschlossen hätte. Wobei ich mich ohnehin frage, was eigentlich einen Sachbearbeiter in der Verwaltung befähigt, den Gesundheitszustand eines Menschen mit ausreichender Sicherheit beurteilen zu können.

Mit seiner Schullandschaft steht Langenfeld im regionalen Vergleich und darüber hinaus gut dar. So manche Schulleitung aus der Region beneidet Langenfeld ob der guten baulichen und ausstattungsmäßigen Gegebenheiten der hiesigen Schulen. Aber trotzdem gibt es Defizite, die wir seit Jahren immer mitschleppen: das sind z. B. bauliche Verbesserungen am KAG hinsichtlich Schülertoiletten und Verwaltungstrakt und das sind vor allem fehlende Sozialarbeiter für den Grundschulbereich. Letzterer Mangel wird sich in den kommenden Jahren eher noch verschärfen und ich frage mich, wie lange sich Verwaltung und CDU-Fraktion den berechtigen Forderungen der Grundschulen noch verschließen wollen.

Im Verkehrsbereich ist sowohl der Einstieg in konkrete Planungsschritte wie die Umsetzung weitgehend durchgeplanter Maßnahmen überfällig. Beispielhaft nenne ich hier die Solinger Straße zwischen Sparkasse und Unterführung Hardt, die Hauptstraße zwischen Wilhelmstraße und Berliner Platz und den Berliner Platz selber. Bei letzterem trägt allerdings die CDU-Fraktion die politische Verantwortung für die Beibehaltung eines für den Fahrradverkehr nach wie vor abenteuerlichen Zustands. Bei der Umsetzung des Fahrradkonzeptes gab es Fortschritte bei Fahrbahnmarkierungen und der Reusrather Straße als Fahrradstraße – jetzt auch perspektivisch ohne die Beeinträchtigung durch Rotorblätter – aber bei einigen Punkten stockt es auch: Nach wie vor kommt die Verbesserung für Radfahrer in großen Kreuzungsbereichen, den sogenannten Knotenstellen, nicht voran.

Ein Punkt, der in diesen Zeiten auch angesprochen werden muss, ist die weitere Entwicklung am Wohnungsmarkt. Wir ständen heute mit dem Angebot bezahlbaren Wohnraums besser da, wäre nicht der augenfällige Bedarf an Sozialwohnungen übergangen und nicht nur die profitable Grundstücks- und Häuservermarktung alleinige Richtschnur gewesen. Wir begrüßen deshalb nun den Weg, den der Bürgermeister mit dem Verkauf städtischer Grundstücke mit der Maßgabe des Baus geförderter Wohnungen beschreitet. Die CDU hat sich damit etwas schwer getan, aber sich am Ende doch – glücklicherweise – zu einer Zustimmung durchgerungen. Aus unserer Sicht kann es mit den ersten drei Grundstücken nicht sein Bewenden haben – es werden weitere folgen müssen. Außerdem brauchen wir wieder zielführende Quoten für Sozialwohnungen in Neubauprojekten privater Investoren. Erste Diskussionen im Planungsausschuss lassen mich aber befürchten, dass wir, sobald es um die Festlegung notwendiger Quoten geht, wieder hinter die eigentlichen Erfordernisse zurück fallen werden. Unser Antrag, die Stadt möge eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gründen, um der Abhängigkeit vom Goodwill der Investoren zu entgehen, wurde leider abgelehnt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat, es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass in meinen Ausführungen zu den fachlichen Punkten eine Reihe von Dingen genannt wurden, die auch Haushaltsmittel, zum Teil erhebliche, erfordern. Aus Sicht der GRÜNEN aber alles notwendige Ausgaben, die die Infrastruktur dieser Stadt weiter verbessern würden. Man muss aber konstatieren, dass für diese Maßnahmen und bereits für diejenigen, die jetzt im Haushalt stehen, die Finanzmittel nicht reichen. Das macht, denke ich, nochmal mehr als deutlich, wie dringend ein Überdenken der Ein- und Ausgabensituation ist und wie dringend erforderlich hier insbesondere eine Verbesserung bei den Einnahmen ist.

Da dieser vorliegende Haushalt aber genau das nicht leistet – neben dem Fehlen inhaltlicher Positionen, die wir für notwendig hielten – können wir GRÜNE ihm nicht zustimmen!

Vielen Dank!