Haushaltsrede 2024 Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, nach sechs Monaten gehen mit dem heutigen Tag die Beratungen zum Haushalt 2024 zu Ende. Sechs Monate Beratung für dann noch neun Monate Umsetzung des beschlossenen Haushalts. Leider nicht das einzige Missverhältnis und erkennbar ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten. Auch das Beratungsergebnis der drei selbsternannten „Haushaltsretter“ ist alles andere als überzeugend. Im Grunde muss man mit dem römischen Dichter Horaz das Fazit ziehen: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus!“ Am Ende steht nach der sechsmonatigen Beratungszeit im Ergebnishaushalt eine Einsparung zum ursprünglichen Entwurf von rund 1 Mio. Euro. Der Fehlbetrag bleibt mit – 19 Mio Euro weiter auf hohem Niveau. In der Finanzrechnung ändert sich der Fehlbetrag von rund 27 Mio Euro nicht. Durch einen zulässigen Haushaltstrick – und nicht durch weitere Einsparungen – wird die ursprünglich geplante Kreditaufnahme in Höhe von 18,5 Mio Euro ins nächste Jahr verschoben. Statt nämlich, wie normalerweise üblich, beim 2024er Anfangsbestand der Liquiden Mitteln vom Planansatz des Vorjahres auszugehen, berücksichtigt der Finanzplan bereits jetzt die Tatsache, dass der 2023er Abschluss wohl um rund 22 Mio Euro höher liegen wird als geplant. Dadurch sinken die Liquiden Mittel nicht, wie ursprünglich geplant, von 49 Mio auf 16 Mio Euro, sondern nur auf 38 Mio Euro, was rechnerisch eine Kreditaufnahme überflüssig macht. Bevor ich im Lauf meiner Ausführungen auf Details des Haushalts und der vorgenommenen Kürzungen eingehe, möchte ich doch einige grundsätzliche Erkenntnisse und Gedanken zur Haushaltsentwicklung der letzten Jahre vorausschicken. Seit einigen Jahren erleben wir nämlich in Langenfeld eine chaotisierte Haushaltssituation, die in erheblichem Umfang durch zwei Problemfelder geprägt ist. Das erste Problem betrifft die nicht nachlassende Unzuverlässigkeit der Ergebnisplanung, das zweite Problem das seit dem Abschluss 2022 sichtbar gewordene strukturelle Haushaltsdefizit, das sich mangels rechtzeitiger Gegenmaßnahmen wohl auch in 2023 fortgesetzt hat. Um die Ursache dieser Unzuverlässigkeit der Ergebnisplanung, dieser geforderten, aber nicht eingelösten Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit herauszufinden, hat sich unsere GRÜNE Fraktion im Detail die sechs Haushaltsjahre 2017 bis 2022 mit ihren Planansätzen und ihren Ergebniszahlen angesehen. Und zwar der besseren Vergleichbarkeit mit den Nicht-Coronajahren wegen ohne die fiktiven Erträge aus den Corona- und Ukrainekrieg-Isolierungen. In allen sechs Jahren findet sich ein gleiches Bild (Anhang, Tab 1.): Das geprüfte Abschlussergebnis war immer besser als die Planung. Im Durchschnitt der sechs Jahre um jeweils knapp 12 Mio Euro. Nimmt man die sechs Jahre als Block zusammen, wird auch die mittelfristige Auswirkung der fehlerbehafteten Planung auf drastische Weise deutlich: Über die sechs Jahre prognostizierten die addierten Planungen insgesamt ein Defizit von sage und schreibe – 45 Mio Euro. Dies hätte nicht nur den kompletten Verbrauch der liquiden Mittel, sondern zusätzlich eine Kreditaufnahme in Höhe von ca. 20 Mio Euro bedeutet. Tatsächlich wurde aber in dieser Zeit ein Überschuss von insgesamt 24 Mio Euro erwirtschaftet. Ein Überschuss, der die liquiden Mittel von knapp 26 Mio Euro Anfang 2017 auf knapp 50 Mio Euro Ende 2022 praktisch verdoppelte. Es stellt sich natürlich zwingend die Frage, woher stammen eigentlich diese Fehlprognosen im Haushalt? Dazu haben wir uns in einem ersten Schritt die Summe der Erträge und die Summe der Aufwendungen und in einem zweiten Schritt die Einzelbeiträge der Ertrags- bzw. Aufwandsarten in ihrer Entwicklung über die Jahre angesehen. (Anhang Tab.3 und Tab 4.) Ohne jetzt an dieser Stelle zu tief in die Zahlen und Tabellen einsteigen zu wollen, lässt sich daraus folgendes festhalten: 1) Die Ausgaben zeigen auf der Ebene der Aufwandssumme erstaunlich geringe Abweichungen zwischen Planung und Ergebnis. Man könnte hier fast von einer Punktlandung sprechen. Überwiegend in Form von Mehrausgaben liegt die mittlere Abweichung nur bei 700 TEUR. Dieser Differenzbetrag schließt die Ausgaben als Ursache der Abweichungen aus. 2) Dagegen kennen die Abweichungen zwischen Planung und Ergebnis bei der Summe der Einnahmen nur eine Richtung. Sie sind im Ergebnis immer höher als in der Planung und zwar – Überraschung – im Mittel um 12 Mio Euro. Damit ist bereits im ersten Schritt die andauernd und systematisch fehlerhafte Summe der Einnahmen als Ursache der Haushaltsabweichungen identifiziert. 3) Geht man von der Gesamtsumme der Erträge noch eine Stufe tiefer, auf die Ebene der Ertragsarten, zeigt sich, dass allein die Ertragsart Steuern und Abgaben mit im Mittel 6 Mio Euro für die Hälfte der zu niedrigen Ansätze verantwortlich ist. Die andere Hälfte tragen Zuwendungen und Umlagen, sowie die Sonstigen Erträge bei. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Jahr um Jahr die Einnahmen im Mittel um 12 Mio Euro zu niedrig angesetzt sind und von diesem Fehlbetrag etwa die Hälfte auf zu niedrig taxierte Steuereinnahmen entfällt. Da dieses Problem bisher nie inhaltlich diskutiert wurde, geschweige denn, dass Ansätze zur Problembeseitigung erkennbar waren, steht zu erwarten, dass sich diese fehlerbehaftete Planung auch für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 in vollem Ausmaß zeigen wird. Ich möchte an dieser Stelle allerdings davor warnen, diese Planungsfehler zu bagatellisieren und als gegeben auf sich beruhen zu lassen. Wie soll der Rat eine halbwegs realistische Investitionsplanung vornehmen können, wenn die tatsächlichen Einnahmen in einem Haushaltsjahr so wenig verlässlich als Planungsgrundlage zur Verfügung stehen? Denn um die Größenordnung der 12 Mio Euro richtig einzuschätzen, muss man sich vor Augen halten, dass dieser Betrag im jährlichen Mittel der Jahre 2017 bis 2022 in etwa den Jahresausgaben aller Investitionen in Grundstücke, Baumaßnahmen und beweglichem Vermögen entspricht (14 Mio Euro). So kann man vernünftigerweise keinen Haushalt beschließen. So kann man nicht begründet über ein Investitionsvolumen entscheiden und nicht verantwortungsvoll über die Kürzung von Finanzmitteln beraten. Im Eingang zu meinen Ausführungen hatte ich bereits auf das zweite Problemfeld, nämlich das in 2022 sichtbar gewordene strukturelle Defizit hingewiesen. Auch hier erleichtert der erweiterte Blick auf die Haushaltsentwicklung mehrerer Jahre die Erkenntnis der Ursachen. Während die Ausgaben von 2017 bis 2022 um insgesamt 18 % gewachsen sind, steigen die Einnahmen nur um 3,4 %! Die stark unterschiedlichen Steigerungsraten führen dazu, dass die Ausgaben ab 2022 die Einnahmen endgültig „überholen“. Da die Ausgabensteigerung sich mit 18 % in der Größenordnung der Inflationsrate von 16 % für den gleichen Zeitraum bewegt, drängt sich die Frage auf, warum die Einnahmen demgegenüber in sechs Jahren nur in einem Umfang steigen, der der Ausgabensteigerung eines einzigen Jahres entspricht? Betrachtet man zur Beantwortung dieser Frage die verschiedenen Ertragsarten, fällt auf, dass die Einnahmen bei den Steuern und Abgaben von 2017 nach 2022 stagnieren. Einnahmen 2017: 119 Mio, 2022: 118 Mio Euro. Die Einnahmen aus Steuern und Abgaben machen aber 62 % der Gesamteinnahmen aus. Wenn diese Einnahmen schwächeln, wie hier sichtbar, krankt die ganze Einnahmenseite. Interessant in diesem Zusammenhang sind die bundesweiten Zahlen von Destatis zu den Realsteuereinnahmen aller Kommunen, die nämlich von 2017 zu 2022 um 33 % gestiegen sind. Auch mit Corona. Nichts davon in Langenfeld. Also, was hier nochmal sehr deutlich wird, ist, dass die Senkung der Hebesätze ab 2019 ein großer Fehler war. Glücklicherweise wurde dieser Fehler für das Haushaltsjahr 2024 korrigiert und man kann bezüglich der Einnahmesituation wieder etwas beruhigter in die Zukunft blicken. Und damit komme ich zurück auf die aktuelle Haushaltsvorlage und auf die Mittelstreichungen und -verschiebungen, die zwischen CDU, BGL, FDP und Bürgermeister verabredet und bereits im Haupt- und Finanzausschuss beschlossen wurden. Nicht zu übersehen ist, dass sich zu diesem Streichquartett, beschönigend als Konsolidierungsrunde bezeichnet, ausgerechnet diejenigen zusammengefunden haben, die für die realen Haushaltsdefizite 2022/23 mit einer unverantwortlichen Gewerbe- und Grundsteuersenkung ab 2019 verantwortlich zeichnen. Jetzt wird an allen Ecken und Enden der Service für Bürgerinnen und Bürger gekürzt. Wo ist sie nur geblieben, die damals versprochene Bürgerdividende? Im Einzelnen fällt auf, dass bevorzugt bei den Zukunftsthemen investiv und konsumtiv gekürzt bzw. geschoben wurde. Beim Klimaschutz minus 395 TEUR, beim Hochwasser- und Starkregenschutz minus 1.047 TEUR, beim Mobilitätskonzept (einschließlich Radverkehr, VK Richrath) minus 1.955 TEUR. Damit zeigt sich der Haushalt als das was er ist, ein ideen- und zielloser Verwaltungshaushalt, der seinen eigenen, im Vorbericht formulierten Zielen und Prioritäten für Umwelt- und Klimaschutz (Priorität 1) sowie für eine Mobilitätswende (Priorität 2) zuwiderläuft. Damit nicht genug, werden auch noch konkrete Serviceleistungen für die Bürgerinnen und Bürger gekürzt – und ausdrücklich nicht verschoben: Da ist einmal die geplante Einschränkung bei den Öffnungszeiten des Bürgerbüros, bei einem gleichzeitig nach wie vor überschaubaren Angebot an Online-Dienstleistungen sowie eines immer größer werdenden Anteils älterer Einwohner. Und zum anderen die Rücknahme einer Stellenausweitung im Kita-Bereich von ursprünglich 15 neuen, notwendigen Stellen auf nunmehr nur noch 11 neue Stellen, verbunden ebenfalls mit einer angekündigten Verkürzung der Öffnungszeiten. Auch diese beiden Personalmaßnahmen laufen den selbstgesetzten Prioritäten zuwider. Seit Jahren hinken wir in Langenfeld mit der Zahl der vorhandenen Kita-Plätze dem tatsächlichen Bedarf hinterher. Aktuell werden in diesem Jahr über 200 Kinder keinen Platz bekommen. Diejenigen, die einen Platz haben, kämpfen mit immer wiederkehrenden Stundenausfällen, die sich bei berufstätigen Eltern bzw. Alleinerziehenden schwer bis gar nicht mit ihrer Berufstätigkeit vereinbaren lassen. Insofern ist diese Kürzung nicht nur Kinder- und Elternfeindlich, sondern sie schädigt auch den Wirtschaftsstandort Langenfeld. Die gesamte Wirtschaft sucht qualifizierte Arbeitskräfte und wir leisten uns den Luxus, Kinderbetreuung, die insbesondere für junge Frauen für eine Berufstätigkeit essentiell ist, weiterhin mit angezogener Handbremse zu organisieren. Ich denke nach diesen letzten Ausführungen ist es sonnenklar, dass die GRÜNE Fraktion dem Haushalt nicht zustimmen wird. Aber es gibt ja eine neue große Koalition, die das auf-Teufel-komm-raus im Vorwahljahr durchziehen wird. Deshalb blicken wir bereits voraus auf den nächsten Haushalt für 2025 und schlagen hier einige Veränderungen und Ergänzungen zum bisherigen Ablauf vor: 1. Wir erwarten von der Verwaltung verstärkte Anstrengungen, die Trefferquote ihrer Haushaltsprognosen in allen relevanten Ertrags- und Aufwandsarten deutlich zu verbessern. 2. Zur besseren und umfassenderen Beratung der Investitionen schlagen wir vor, zeitgleich mit der Einbringung des Haushalts eine zusammenfassende Investitionsliste des Haushaltsentwurfs, die ggf. aktualisierte Langfristliste sowie die Planungsübersicht des GM vorzulegen. 3. Um die Investitionen in einen Gesamtzusammenhang zu stellen, schlagen wir außerdem eine zusätzliche Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses etwa zur Mitte der Haushaltsberatungen vor. Beides mit dem Ziel, sachliche Erfordernisse mit Finanzvolumen und Kapazitäten in Einklang zu bringen. 4. Eine Abstimmung über die Teilhaushalte in den Fachausschüssen halten wir, insbesondere nach den letzten Erfahrungen, für überflüssig. Damit schließe ich meine Ausführungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit! (Es gilt das gesprochen Wort) PDF-Anhang: Entwicklungslinien des städtischen Haushalts 2017-2022