Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
verehrte Damen und Herren,
wir haben heute den 20.März des Jahres, für den wir die Haushaltssatzung beschließen. Das heißt, von dem Jahr, für das Einnahmen und Ausgaben festgelegt werden, sind bereits drei Monate ohne einen rechtlich verbindlichen Haushaltsplan vergangen. Alles, was dieser Haushalt zum Beispiel an Investitionen in Form entsprechender Maßnahmen für 12 Monate enthält, soll nun in den verbleibenden neun Monaten abgearbeitet werden. Wie unrealistisch eine solche Arbeitsplanung ist, sieht man übrigens an der vorliegenden Änderungsliste zum ursprünglichen Entwurf. Darin sind nämlich fein säuberlich alle Maßnahmen aus dem letzten Haushalt aufgelistet, die 2017 nicht abgearbeitet werden konnten und jetzt wieder in den neuen Haushalt übernommen werden müssen. Und ich erwähne mal, quasi so nebenbei, den §78 der Gemeindeordnung. Da heißt es nämlich: „Die Haushaltssatzung tritt mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft…“ und nicht „…tritt irgendwann im Laufe des Haushaltsjahres in Kraft“.
Ich erwähne das, wohl wissend, dass inzwischen die Beibehaltung dieser rechtlich problematischen Terminplanung beschlossene Sache ist. Aber ich möchte an dieser Stelle nochmal mein Befremden darüber zum Ausdruck bringen, dass man sich hier nicht zu einer Neuorientierung durchringen konnte.
Nach diesen Vorbemerkungen aber jetzt zum vorliegenden Haushaltsplan und zur Bewertung durch die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Wie gewohnt, haben wir es durch die solide Arbeit der Kämmerei und des ausgeschiedenen Kämmerers mit einem handwerklich einwandfreien Zahlenwerk zu tun. Als GRÜNE ist uns aber daran gelegen, hinter den Zahlen auch eine Politikgestaltung zu erkennen, die aktuelle Probleme lösungsorientiert anpackt und Langenfeld auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet. Denn ein Haushalt muss für uns mehr sein als eine reine Fortschreibung der Vergangenheit. Er soll auch erkennbar Zukunft gestalten.
Welches sind nun die aktuellen Herausforderungen, vor denen wir stehen und welche Maßnahmen und Finanzmittel stellt dieser vorliegende Haushalt bereit, um diese Herausforderungen zu meistern? Für uns GRÜNE gibt es zwei zentrale Aufgaben, vor denen wir in diesen unruhigen Zeiten stehen. Die erste Aufgabe ist es, den gesellschaftlichen Wandel positiv zu gestalten und dabei den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu bewahren. Diese Aufgabe würde, auf die kommunale Ebene heruntergebrochen, sich wesentlich in den Bereichen Soziales, Schule und Jugendhilfe wiederfinden. Die zweite zentrale Aufgabe sehen wir in der Bewahrung nachhaltiger Lebensgrundlagen. Konkret findet sich diese Aufgabe in den kommunalen Bereichen Stadtplanung, Klima- und Naturschutz, sowie Verkehr wieder. Wie sieht es nun aus mit den Antworten des vorliegenden Haushaltsplanes auf diese Aufgabenstellungen?
Als erstes möchte ich die Bereiche „Schulen und Jugendhilfe“ ansprechen. Bereiche, bei denen anerkanntermaßen viele Kommunen deutlich schlechter aufgestellt sind als Langenfeld. Was auffällt ist, dass hier im Moment die Planungsdaten den realen Daten des tatsächlichen Bedarfs hinterher zu hinken scheinen – warum auch immer. Deshalb begrüßen wir natürlich den anstehenden Neubau dreier weiterer, neuer Kindertagesstätten. Wir haben aber Zweifel, ob dies schon einen endgültigen Befreiungsschlag darstellt, um hier dem Rechtsanspruch der Eltern Genüge zu tun. Auch im Schulbereich sehen wir einen Handlungsbedarf bei der Ausstattung mit Klassenräumen. Dem wird ja jetzt durch die Änderungsliste teilweise nachgekommen. Aber auch hier bleiben Zweifel bezüglich der Nachhaltigkeit. Positiv ist die weitere Stelle bei der Schulsozialarbeit zu bewerten, die von uns (und der SPD) ja seit langem gefordert wurde.
Klar ist, dass man im Bereich des offenen Ganztags zu lange einer sich verschlechternden Situation zugesehen hat. Hier sind Erweiterungen im Platzangebot dringend geboten und wir hoffen, dass die anstehenden Beratungen zügig zufriedenstellende Ergebnisse für das weitere Vorgehen liefern. Langenfeld hat die Finanzkraft, hier engagiert zur Sache zu gehen. Völlig unverständlich für uns ist deshalb, dass hier überhaupt keine Mittel in den 2018-Haushalt eingestellt sind und unser diesbezüglicher, bescheidener Antrag abgelehnt wurde. Das spricht wiederum nicht für eine schnelle Mängelbeseitigung. Den Schülerinnen und Eltern, die jetzt einen qualitativ guten OGATA-Platz benötigen, ist aber nicht damit gedient, auf eine ausreichende Zahl gut ausgestatteter Plätze in drei, vier Jahren verwiesen zu werden.
Ein weiteres wichtiges Politikfeld, bei dem wir als GRÜNE Fraktion mit Verwaltung und Ratsmehrheit allerdings viel deutlicher überkreuz liegen als beim vorigen Thema, ist der Bereich der Sozialpolitik. Bei den Fragen, wie gehen wir mit sozial Benachteiligten, wie mit Flüchtlingen, wie mit Menschen auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum um, gibt es sowohl im vorliegenden Haushalt wie auch in den sich daraus ableitenden politischen Perspektiven aus unserer Sicht massive Defizite.
Vor zwei Jahren hatten wir im Rahmen der HH-Beratungen die Gründung einer eigenen, städtischen Wohnungsbaugesellschaft beantragt, um die Versorgung mit Sozialwohnungen sicher stellen zu können und zwar unabhängig von Margenmaximierung und orientiert am tatsächlichen Langenfelder Bedarf. Obwohl wir darauf verzichtet haben, diesen Antrag nochmal zu stellen, zeigen uns zwei wesentliche Erfahrungen der letzten zwei Jahre, wie berechtigt diese Forderung immer noch ist:
- Die verbilligte Abgabe von Grundstücken der Stadt Langenfeld war ein wichtiger Beitrag, aber die Möglichkeiten zur Fortsetzung dieses Beitrags sind naturgemäß begrenzt.
- Bei der planerischen Umsetzung der eingegangenen Projektvorschläge zeigt sich jetzt schon, wie leider zu befürchten war, die mangelnde Bereitschaft der Investoren, Änderungen zu Gunsten der Schaffung bezahlbaren Wohnraums zu akzeptieren. Wohl aber auch die mangelnde Bereitschaft von Teilen der Politik, dies einzufordern.
Erstaunlich die Tatsache, dass teilweise immer noch das Fehlen bezahlbaren Wohnraums bezweifelt wird. Allen, die dies vertreten, sei statt des umflorten Blicks ins GEWOS-Gutachten an dieser Stelle ein Gespräch mit den in Langenfeld aktiven Sozialverbänden empfohlen.
Auf unseren traditionellen Antrag zu den Sozialarbeiterstellen in der Betreuung der Flüchtlinge – obwohl wir uns natürlich der Ablehnung sicher waren – wollten wir im Sozialbereich aber trotzdem nicht verzichten. Die Standardantwort, die wir auf diesen Antrag bekommen, ist ja immer: „Das brauchen wir in Langenfeld nicht, das machen alles unsere Honorarkräfte, Verwaltungsmitarbeiter und die Ehrenamtlichen.“ Merkwürdig nur, dass genau diese Ehrenamtlichen regelmäßig die Schaffung von Sozialarbeiter*innen-Stellen einfordern. Ich möchte hier gerne mal aus der Stellenanzeige einer kleinen Gemeinde im CDU-regierten Saarland zitieren: „Die Lebenssituation der zugewiesenen Flüchtlinge erfordert einen sehr hohen Beratungs-und Betreuungsbedarf. Aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz ist die Berufsgruppe der Sozialarbeiter/innen hierfür besonders geeignet.“ Dieser Selbstverständlichkeit muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Demgegenüber ist die andauernde Verweigerungshaltung in Langenfeld völlig anachronistisch und wir werden deshalb auch immer wieder darauf zurückkommen.
Als letztes möchte ich die Bereiche Stadtplanung, Verkehr, Klima- und Naturschutz ansprechen. Wie stellt sich die Situation in diesen Themenbereichen heute dar. Exemplarisch dazu drei Aussagen:
- Die Erderwärmung schreitet voran, möglicherweise schneller als früher prognostiziert, die Folgen des Temperaturanstiegs – und zwar für alle, nicht nur für Eisbären und Fidschi-Inseln – sind bekannt und vielfältig nachzulesen.
- Auch Langenfeld erstickt – zumindest stundenweise und auf einigen Strecken – im Autoverkehr, trotz aller neuen Ampelschaltungen und kleinteiliger Fahrspurerweiterungen.
- Die Natur – oder das, was davon heute noch übrig ist – wird immer ärmer an Tier- und Pflanzenarten. Aktuell ist die rapide Abnahme der Insekten – eine erschreckende Zahl von minus 70 % steht im Raum – vielerorts nachzulesen.
Nach Überzeugung der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es Aufgabe aller staatlichen Ebenen, diesen negativen Entwicklungen überzeugend, zielorientiert, nachhaltig und mit ausreichendem Mitteleinsatz entgegenzuwirken. Das Versagen anderer, etwa auf Landes- oder Bundesebene, wo bewusst die Errichtung von Windanlagen erschwert, die Unfähigkeit zum deutlichen Umsteuern bei der Kohleverstromung erklärt oder das Verbot von Glyphosat verhindert wird, darf uns auf kommunaler Ebene nicht von unseren Möglichkeiten abbringen.
Sieht man sich nun den vorliegenden Haushalt daraufhin an, ob er erkennbar ausreichend Mittel für eine Politik bereitstellt, die überzeugend, zielorientiert und nachhaltig den beschriebenen Negativ-Entwicklungen entgegen steuert, so sucht man danach leider vergeblich! Ich will das mit einigen Zahlen belegen.
Der Klimaschutz ist denjenigen, die diesen HH beschließen werden, lediglich 15 TEUR wert. Zum Vergleich der Wertigkeiten: 2014 stand die Weihnachtsbeleuchtung mit immerhin 60 TEUR im HH. Unser Antrag, hier mit 100 TEUR ein deutliches Zeichen in den Einstieg und der Umsetzung weiterer Maßnahmen zu setzen, wurde bekanntlich abgelehnt. Wir halten es eindeutig nicht für ausreichend, Klimaschutz im Wesentlichen als Marketingaufgabe zu verstehen. Hier müssen mehr praktische Maßnahmen, auch unter Einsatz höherer städtischer Finanzmittel erfolgen.
Beim Naturschutz ist zumindest positiv zu vermerken, dass die Mittel für den Grünordnungsplan, die wir noch im letzten Jahr vergeblich beantragt hatten, nun wieder im HH enthalten sind. Leider wird dies, ebenso wie das Blühstreifenprogramm und die geplante Blühpflanzenaktion, so sinnvoll sie im Einzelnen sind, völlig konterkariert durch die beantragten und letztendlich mit dem Regionalplan kürzlich beschlossenen Wohnbau- und Gewerbeflächenpotentiale im Außenbereich, deren Realisierung in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren erfolgen dürfte. Insgesamt reden wir hier (einschließlich der Fläche Flachenhof) von einem neuerlichen Verlust an Grünland und Freifläche von weit über 40 Hektar.
Den Beschluss des Verkehrsausschusses, für Langenfeld ein Mobilitätskonzept zu erstellen, haben wir mitgetragen, statt unseren eigenen Antrag nach einem neuen Verkehrsentwicklungsplan aufrecht zu erhalten. Wir erhoffen uns davon einen umfassenderen Blick auf die Möglichkeiten, Mobilität zukunftsorientierter und nachhaltiger zu gestalten. Die Tatsache, dass unser Vorschlag abgelehnt wurde, einen Einstieg Langenfelds in die Bahnen der Stadt Monheim zu prüfen, ist allerdings schon wieder mehr als ernüchternd. Dies zeigt nämlich, dass einem funktionierenden ÖPNV mit Langenfeld neben Monheim als Gestalter der Entwicklung, offenbar immer noch nicht der Wert beigemessen wird, der ihm angesichts verstopfter Straßen in den Stoßzeiten zukommen sollte. Die gleiche Fehleinschätzung wiederholt sich bei der pauschalen Ablehnung kürzerer Taktzeiten. Mit seiner geplanten Teststrecke für autonome, elektrisch betriebene Busse zeigt Monheim – und zwar Monheim allein – was alles möglich ist. Entsprechendes gilt für den Radverkehr, dessen Bedeutung für eine zukunftsfähige Mobilität sich aus dem vorliegenden HH ebenfalls nicht annähernd ablesen lässt. Jedenfalls nicht aus den 10 TEUR für Markierungs- und Unterhaltungsarbeiten, die sich zudem fast vollständig aus den Mieteinnahmen für die Fahrradboxen refinanzieren. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre haben wir hier auf eigene Anträge verzichtet. Dabei ersetzen Abmarkierungen von Fahrradstreifen – so richtig sie sind – nicht notwendige bauliche Veränderungen wie am Berliner Platz und anderen Knotenstellen, an Bushaltestellen und am kombinierten Rad-/Fußweg Schneiderstraße, um nur einige zu nennen.
Unterm Strich ist dieser Haushalt, wie andere vor ihm, ein behäbiges „Weiter so“, eine Fortschreibung der immer gleichen Haushaltsansätze. Nachhaltige Innovationen und Schwerpunkte in zukunftsfähigen Politikfeldern liefert dieser Haushalt nicht. Deshalb können wir ihm auch nicht zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Günter Herweg